13.12.2019 | Quelle: Deutschlandfunk Kultur
Feldheim, ein kleiner Ort in Brandenburg, ist energieautark. Das Dorf versorgt sich selbst mit Strom und auch mit Wärme aus der Biogasanlage. Und ist längst zum Pilgerort für Energietouristen aus aller Welt geworden.
In Feldheims Ortsmitte – wenn es die bei einem Straßendorf mit 130 Einwohnern überhaupt gibt – steht ein alter Vierseithof. Siegfried Kappert öffnet die Tür. Und drinnen entpuppt sich der alte Hof als modernes Schulungs- und Tagungszentrum. Kappert, Pensionär, trägt eine Baseballkappe mit der Aufschrift „Neues Energien Forum Feldheim“. Er hat die Energiewende des Ortes von Anfang an mitbegleitet. Und stellt erst mal ein paar Dinge klar.
„Wir können die ja nicht mehr als Windräder bezeichnen, das sind Windenergieerzeugungsanlagen. Also, jede Turbine ist ein Kraftwerk.“
Der Blick aus dem Fenster fällt in den Innenhof. Da ist der Flügel von einem der ersten vier Windräder aufgestellt, die mittlerweile längst durch größere Anlagen ersetzt sind. Der Flügel wirkt geradezu winzig. Auch die Gondel, an dem er angeschraubt war, steht auf dem Hof, kaum größer als ein VW-Bus.
„Diese kleinen Turbinen sind die ersten, die in Feldheim aufgebaut wurden. Die da als Modell steht. 1994, 95 wurden vier Stück montiert, aufgestellt hier, und die sind jetzt schon wieder demontiert. Eine haben wir als Anschauungsunterricht hier, die können wir auch von innen besichtigen, alles. Und so ist dieser Windpark entstanden, immer mehr, es gab keine Protestierer, keine Rabauken, die dagegen waren, und dann machte man sich Gedanken: Die erneuerbaren Energien, das könnte doch mal der Weg der Zukunft werden!“
Die Idee kam von einem Studenten
Siegfried Kappert ist Ur-Feldheimer, er ist in dem Haus geboren, in dem er heute noch wohnt. Er erinnert sich gut daran, wie das alles anfing.
„Nach der Wende kam 1992, 1993 ein junger Mensch hierher, der war damals noch Student. Der Bauwirtschaft. Er hat sich die Gegend angeguckt, war immer schon begeistert von Windrädern, der ist hierhergekommen, hat den Wind hier gemessen und hat gesagt: Donnerwetter, das ist schön hier! Und hat sich auch im Gemeindebüro vorgestellt, wir waren damals noch selbständig. Und meine Frau war Bürgermeisterin.“
Heute ist Michael Raschemann, der Student von einst mit den Flausen im Kopf, Geschäftsführer der Energiequelle GmbH, die weltweit Windenergieanlagen projektiert. Den Grundstein dafür legte er Anfang der Neunziger hier, in Feldheim.
„Und da kam das denn, dass meine Frau abends kam, und sagte ‚Ach, bei uns war ein junger Mensch, netter junger Mensch, der möchte Windräder hier, wie das so üblich war, aufstellen, was sagst du denn dazu?‘ Ach, ist gar nicht so schlecht. Was haben die Gemeindevertreter gesagt? Ach, sie waren nicht dagegen, aber sie hatten Hunderte von Fragen. Das ist doch klar.“
Feldheim war damals noch eine eigenständige Gemeinde. Anfang der Neunziger, als noch niemand vom Klimawandel redete und am wenigsten wohl die Landwirte.
„Klar gab es skeptische Fragen“, sagt Kappert. „Das ist klar. Denn wir sind eine landwirtschaftlich geprägte Region. Hier ist rein Landwirtschaft, alles. Und wir hatten damals aus DDR-Zeiten eine LPG, eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, eine gut gehende, das ist umgewandelt nach der Wende in eine Agrargenossenschaft, geht wieder gut.“
3000 Energietouristen jährlich
Von den vier ersten Turbinen aus den Neunzigern hätte eine gereicht, Feldheim mit Strom zu versorgen. Aus vier kleinen Turbinen sind mittlerweile fast 60 große Turbinen geworden, alle errichtet von der Energiequelle. Und Siegfried Kappert platzt bald vor Stolz. Und zeigt sein Dorf vor. Den Besuchern, die wöchentlich kommen, aus aller Welt, mehr als 3.000 pro Jahr. Kappert erklärt dann hier im Forum, wie das alles funktioniert in Feldheim und führt die Energietouristen herum.
„Aus aller Welt, ja ich lüge nicht! Das ist wahr!“, betont er. „Sogar eine Delegation aus Nordkorea war schon hier. Aus USA! Aus Kanada! Aus Polen, aus Weißrussland sehr viele Delegationen. Norwegen, ein Land, das 98 Prozent erneuerbare Energien-Strom erzeugt. Da sage ich immer, die brauchen sich bei uns nicht erkundigen, die haben doch alles. Da waren schon vier Delegationen hier. Und das ist mein ganzer Stolz. Und ich stehe für diese Sache, so lange wie ich auf der Welt bin.“
Ur-Feldheimer Siegfried Kappert ist stolz auf sein energieautarkes Dorf. (Thilo Schmidt)
Kapperts Tochter Peggy ist gerade hereingekommen. Auch heute, sagt sie, hätte sich eine Besuchergruppe angekündigt. Peggy Kappert ist die einzige Festangestellte des Fördervereins „Neue Energie Forum“. Alle anderen hier arbeiten ehrenamtlich. Für Siegfried Kappert ist das nicht nur selbstverständlich, sondern auch Ehrensache – es geht schließlich um die Energiewende.
„Es ist ein harter Weg. Ist ein steiniger Weg. Da müssen wir alle zusammenhalten. Aber für die Zukunft unserer Kinder ist das nach meiner Auffassung der richtige Weg.“
Feldheim versorgt sich selbst. Nicht nur mit Strom, auch mit Wärme aus der Biogasanlage. 2009 wurden Wärmeleitungen durch den Ort verlegt, zu jedem Haus. Dann dachten die Feldheimer: Wenn die Gräben einmal offen sind, könnte man auch gleich noch Stromleitungen hineinlegen. Und so verlegte die Energiequelle auch noch Stromleitungen. Nun ist Feldheim ein energieautarkes Dorf, das wohl einzige in Deutschland.
16,6 Cent pro Kilowattstunde
„Mit dem Strom aus dem Windpark. Wir kriegen direkt aus dem Windpark unsere Energie. Anschluss für Energie 1500 Euro, Anschluss für Wärme 1500 Euro. Man hat die Zähleinrichtung kostenlos gekriegt, und die Umwälzanlage der Wärme im Keller oder wo sie sie haben wollten, auch kostenlos. Das waren Sachen, über die man sich nicht aufregen braucht. Wir bezahlen für die Kilowattstunde 16,6 Cent. Ich glaube, in der Bundesrepublik ist der Strompreis jetzt schon bei 28 Cent.“
Dann muss Kappert los. Wir verabreden uns aber für später, er will mir die richtigen Windräder, die großen, zeigen. Viel ist wirklich nicht los im Dorf, die Straße beinahe ausgestorben. Ein Anwohner bringt gerade seinen Müll heraus, als es mit der Stille plötzlich vorbei ist. Ein Bus aus Dresden steuert den Gästeparkplatz an.
Kathleen Thompson, die die Gruppe durch Feldheim führt, bittet die Besuchergruppe der TU Dresden ins Neue-Energien-Forum. Die Teilnehmer kommen aus 21 verschiedenen Entwicklungs- und Schwellenländern. Die TU Dresden bildet sie sechs Monate in Umweltmanagement weiter, unterstützt vom Bundesumweltministerium.
„Ich möchte lernen, wie das geht, einen Ort wie diesen energieautark zu versorgen – mit erneuerbaren Energien“, sagt Iquo Offiong, die für das nigerianische Forschungsministerium arbeitet. „Also, wie können wir zu sauberen Energien kommen? Solar, Wind, Biomasse? Und das nehme ich mit in mein Land. Wie kann dort jeder Zugang zu Elektrizität haben? Und zu sauberer Energie?“
Windradpionier und Entwicklungshelfer
Kathleen Thompson führt die Gruppe zur Biogasanlage auf dem Gelände der Agrargenossenschaft, die ebenfalls ihren Teil zu autarken Versorgung Feldheims beiträgt. Das kleine Feldheim ist eine Blaupause für Entwicklungsländer mit instabilen oder gar keinen Verbundnetzen. „Wir wollen saubere Energie und saubere Umwelt für die Menschen!“ sagt ein Teilnehmer, der für die Nationale Umweltbehörde in Kenia arbeitet. „Wir sind im Klimawandel! Und wir möchten kleine Dörfer und Siedlungen energieautark machen. Wir haben da mit Wind und Sonne großes Potenzial!“
Vielleicht ahnte Michael Raschemann gar nicht, dass er auch Entwicklungshelfer wird, als er hier vor 25 Jahren mit ein paar kleinen Windrädern anfing.
Heute liegt sein Firmensitz 50 Kilometer östlich. Die Energiequelle. Zwei alte Häuser beiderseits der Dorfstraße mit jeweils einem modernen Büroanbau. In einem der alten Häuser lebte einmal die Schwiegermutter Raschemanns. Die abgestellten Dienstwagen sind zu einem Gutteil Elektroautos, auf dem Chefparkplatz parkt ein weißer Tesla. Über dem kleinen Ensemble lässt jemand eine Drohne steigen. Für neue Bilder für die Webseite der Energiequelle.
Und da ist er. Legere Kleidung, jovialer Umgang, der Student von einst, der mit den Flausen im Kopf, der einst mit einer verrückten Idee in einem brandenburgischen Dorf vorsprach:
„Die Gemeindevertreter, denen ich damals so erzählte, was ich denn so vorhätte, die haben interessiert zugehört, und dem, ich sag mal, Studenten, aus ihrer Gegend, auch Vertrauen geschenkt: ‚Na, lass den mal machen‘, so im Sinne von ‚hört sich ganz gut an‘ und ‚sind wir nicht abgeneigt gegenüber, soll er mal probieren‘. In Anführungszeichen dahinter, oder vielleicht in Klammern: ‚Mal sehen, wie weit er kommt‘. Und im Frühjahr 1995 standen dann meine ersten vier Windmühlen.“
Feldheims Windpark hat heute 60 Anlagen
Michael Raschemann empfängt mich im Konferenzraum, die vollautomatisierte Gebäudetechnik lässt wie aus dem Nichts die Jalousien herunterfahren. Als bräuchte es noch einen Beweis: Strom haben wir genug hier. Denn aus den ersten vier Windrädern in Feldheim ist ein Windpark geworden, mit dem man eine Stadt von der Größe Cuxhavens mit Strom versorgen könnte. Dass es dazu gekommen ist, hat viel mit der felsenfesten Überzeugung Raschemanns zu tun, dass es klappen wird.
„Ich kann mich noch entsinnen, das waren fünfeinhalb Millionen Investitionssumme, damals noch Mark, aber trotzdem ne Riesensumme, und die Banken haben zu mir, nachdem sie dann die Unterlagen geprüft haben, gesagt: Ach, gucken sie mal, schon wieder so’n Mittelloser aus’m Osten!“
Als Student hatte Michael Raschemann bereits die Idee mit dem Windpark. Heute ist er Geschäftsführer eines Energieunternehmens. (Thilo Schmidt)
Raschemann blieb aber dran, fand einen Bankmitarbeiter „vom alten Schlage“, wie er sagt, der ihm den Kredit gab. Aber Geld alleine baut kein Windrad. Raschemann ging in den Vorlesungspausen zu den Telefonzellen, „einen Berg Telefonkarten dabei“, wie er sagt. Und sprach mit Baufirmen, Behörden, den Banken. Und, vielleicht am wichtigsten: mit den Feldheimern.
„Und ich hatte dann gesagt, na ja, ich würde dann eine Firma gründen wollen, wenn mein Studium durch ist, und würde dann gerne dieses Windfeld mit den vier Mühlen erweitern wollen. Und die haben gesagt: Na ja, dann zeig doch mal, an welcher Stelle! Und insofern ist bis zum heutigen Tage die Kommunikation mit der Gemeinde und heute mit dem Ortsbeirat und der Stadt Treuenbrietzen sehr, sehr eng gelaufen. Und mittlerweile stehen in Feldheim, glaube ich, über 60 Anlagen.“
Diese werden fortlaufend durch leistungsfähigere Anlagen ersetzt. Und seit neun Jahren speisen sie direkt in das eigene Stromnetz ein, das die Energiequelle in Feldheim verlegt hat. Der Strom aus dem Windpark – beziehungsweise ein winziger Bruchteil davon – geht direkt in alle Haushalte, und das ist das wirklich Einzigartige, denn das gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Davon hatten sie noch nie gehört in den Amtsstuben, als Michael Raschemann seine nächsten Pläne aus dem Bauchladen holte.
Bis heute kein Stromausfall
„Der Privatverbraucher ist die Heilige Kuh der Energieversorger. Und da konnte man sich einfach zu dieser Zeit im Wirtschaftsministerium nicht vorstellen, dass ein Windpark zu jeder Zeit ausreichend Strom liefern kann. Wir hatten sehr genau aufgezeigt, wie das Zusammenspiel zwischen Windpark und Biogasanlage elektrisch funktioniert, dass die Ausfallquote gen Null geht. Aber letztlich hatten wir da einen sehr rückgratbehafteten Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der damals sagte: ‚Geben Sie her, ich unterschreib die Genehmigung jetzt, und Raschemann, Sie sichern mir zu, dass die Feldheimer immer Strom haben.‘“
Und bis heute gab es in Feldheim noch keinen Stromausfall. Es ist sogar vorgekommen, dass in den Orten rundherum der Strom ausfiel, während in Feldheim weiterhin das Licht brannte.
„Der Strom hat uns noch nie ein Problem beschert, ganz im Gegenteil, wir wollten gerne in Feldheim ein ansässiges Wasserwerk auch anfänglich schon mitversorgen, aber die haben gesagt: ‚Nein, wir haben einen Versorgungsauftrag und müssen eine hohe Versorgungssicherheit für unsere Wasserkunden bieten, und deshalb wollen wir an diesem Projekt nicht teilnehmen.‘ Wir hatten zwei Mal danach im Jahr kein Wasser, aber Strom, weil die Freileitungen vom Netzbetreiber durch umstürzende Bäume zerstört worden sind und die Wasserpumpen nicht gingen. Seitdem haben wir das Wasserwerk auch in der Versorgung, und seitdem hatten die auch keinen Ausfall mehr.“
Aus aller Welt kommen Besucher, um sich Feldheims Energieversorgung zeigen zu lassen. (Schmidt, Thilo)
Zurück in Feldheim. Kathleen Thompson ist noch immer mit den Besuchern in der Biogasanlage. Ich aber fahre jetzt mit Siegfried Kappert vom Förderverein zu den Windrädern. Langsamer soll ich fahren, sagt er, seine Augen fixieren eine moderne Produktionshalle. Hier, sagt er, haben 21 Beschäftigte Solarmodule gebaut, die sich automatisch an den Sonnenstand anpassen. Die Firma gibt es nicht mehr. Die ständig sinkende Einspeisevergütung sei schuld, sagt Kappert, und man hört ihm die Enttäuschung an. Heute nutzt die Firma Enercon, die die Windräder für die Feldheimer hergestellt hat, einen Teil der Halle als Wartungsstützpunkt.
Der Batteriespeicher ist immer voll
„Das war die Solarfabrik. Hier ist der Sitz nun von Enercon, die das Teil gepachtet haben. Sehen Sie mal, diese kleinen Anlagen wurden hier produziert, und wir fahren um die Ecke links rum, da stehen die großen Anlagen. Die wir installiert haben, wo das sowjetische Militär mal war. Sie sehen rechts unseren ganzen Windpark jetzt hier“, sagt Kappert.
„Und wenn Sie jetzt da hingucken und da jetzt dieses nette, besprühte, bemalte Gebäude sehen, das ist der Batteriespeicher. 10,7 Megawatt. Der ans Netz von dem Windpark angeschlossen ist und zu jeder Zeit überschüssigen Windstrom aufnimmt, speichert. Und sollte das Kraftwerk keine genaue Energieflussmenge haben und sie melden sich, dann speist der ins Netz wieder ein.“
Ein unscheinbares Gebäude, sieht aus wie ein kleiner Supermarkt. Bemalt mit Bäumen, die sich in Windräder verwandeln, stilisierten Batterien und Glühbirnen. Im Inneren befinden sich 3.460 Ionen-Batterien, erklärt Kappert, der es liebt, in Details zu gehen:
„Der kann in Hundertstel Sekunden aufnehmen und in Hundertstel Sekunden wieder rausgeben. Der ist immer voll. Immer voll! Das Gebäude hat ne Wärmekonstanzsache von 23 Grad, das erhöht die Lebensdauer der Batterien. Diese Anlage kommt nicht aus Deutschland, sondern aus Südkorea. Also, die Deutschen konnten uns nicht helfen oder wollten es nicht. Weiß ich jetzt nicht.“
Wir biegen auf einen holprigen Feldweg. Bis zur Wende drehten hier Panzer der Nationalen Volksarmee ihre Runden, die Energiequelle ließ die Wege später etwas ausbessern. Die Windräder rücken immer näher. Ihre Größe ist atemberaubend. Es ist windig, sehr windig, wahrscheinlich hat Michael Raschemann als junger Student genau gewusst, warum er hier hinwollte.
Windräder höher als der Kölner Dom
Wenig später stehe ich vor einem Windrad vom Typ E-115. Dieses Windrad ist höher als der Kölner Dom. Siegfried Kappert schließt die Tür auf, wir gehen ins Innere. Nun ist es windstill, aber laut. Jetzt wird mir klar, was er meinte, als er sagte, jede Turbine ist ein Kraftwerk. Und nicht bloß ein Rohr mit Propeller. Ein Raum, groß wie eine kleine Kathedrale. Den direkten Blick nach oben verhindert ein Fangnetz, das Monteure vor herunterfallendem Werkzeug schützen soll. Der offene Fahrstuhl aus Blech wirkt spartanisch.
Wir bleiben unten. Dürfen nicht rauf. Schauen uns stattdessen die Steuereinheit, den Wechselrichter und die Lüftungsanlage in der Mitte der Röhre an, von der das ohrenbetäubende Geräusch kommt. Sie kühlt den Wechselrichter unten und den Generator ganz oben in der Gondel:
„Hier ist die ganze Steuertechnik drin. Wenn Sie da rein gucken… Ich bin zwar gelernter Elektriker, aber da guck ich rein – wie sagt man auf Deutsch? – wie ein Schwein ins Uhrwerk. Eine Technologie, die ist einmalig. Und wenn ich das mal betrachte, die ganzen Jahre seit der Wende: Das ist ein enormer Aufschwung in der Energieversorgung. Wenn man sich dieses alles anguckt hier. Was hier geleistet worden ist, in dieser Sache.“
Lärm, sagt Kappert, höre er hier nicht. In seinen Ohren klingt das Dröhnen eher wie Musik. Seiner Frau habe er schon vorgeschlagen, hier unten im Windrad vielleicht mal einen Geburtstag zu feiern. Schön warm ist es ja, wegen der ganzen Aggregate. Wir verlassen das Windrad. Draußen pfeift immer noch der Wind. Oben am Propeller weht der Wind mit 8,6 Metern pro Sekunde, so hat es die Digitalanzeige an der Steuerungstafel gerade angezeigt. Das sind über 30 Stundenkilometer. Seit es 2014 aufgestellt wurde, hat allein dieses Windrad fast 40 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Damit könnte man 40 Millionen Mittagessen für vier Personen kochen. Und alles nur, weil Anfang der Neunziger ein junger Student mit Flausen im Kopf nach Feldheim kam.
Das Nahwärmenetz gehört allen
Wieder zurück im Dorf erklärt Kathleen Thompson den Besuchern immer noch Details der Biogasanlage, ab und an blickt sie fragend zu Werner Schlunke, klärt Details ab. Schlunke ist der ehemalige Geschäftsführer der Agrargenossenschaft. Die Biogasanlage war noch mal ein großes Ding zum Abschluss seines Berufslebens. Schlunke ist mittlerweile pensioniert, läuft aber nochmal zu Hochform auf, wenn er den Besuchern aus aller Welt die Biogasanlage in allen Einzelheiten vorführen kann. Eigentlich wollte die Agrargenossenschaft mit der Anlage nur die 30.000 Liter Heizöl im Jahr einsparen, mit der die Ställe geheizt wurden. Dazu kam: Gülle gibt es im Überfluss und die Preise für Getreide und Zuckerrüben waren im Keller. Warum nicht also damit Biogas erzeugen und Heizöl sparen?
„Das war für mich natürlich eine Investitionssumme, wo ich gedacht habe, da krieg ich kalte Füße. Ja? Mit über zwei Millionen für die Biogasanlage. Und dann haben wir uns mit der Energiequelle zusammengeschlossen und haben gesagt, wir bauen sie gemeinsam, jeder trägt 50 Prozent.“
Agrargenossenschaft und Energiequelle einigten sich. Mit der Abwärme der Biogasanlage sollen die Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude und die Stallungen der Produktionsgenossenschaft beheizt, der erzeugte Strom ins Netz eingespeist werden. Das drei Kilometer lange Nahwärmenetz gehört übrigens allen, die daran angeschlossen sind. Also den Bürgern von Feldheim und den Unternehmen.
Leistungsnetz als Standortfaktor
Kathleen Thompson beantwortet Fragen nach Kapazität, Energieeffizienz oder Kosten. Werner Schlunke steht etwas abseits und nickt dabei vor sich hin. Landwirt Schlunke, der die Veränderungen anfänglich skeptisch sah, ist inzwischen selbst ein Teil dieses Vorzeigedorfes. Das eigene Leitungsnetz ist für Feldheim längst ein Standortfaktor. Petra Richter, die Ortsvorsteherin, macht sich jedenfalls keine Sorgen, dass ihr Dorf verwaist oder vergreist:
„Ja, das ist es ja eben. Das ist es ja, was uns so ausmacht. Dass wir dieses eigene Leitungsnetz haben. Und damit sind wir ja einzigartig in Deutschland. Bis jetzt hatten wir es eigentlich so, wenn ein Haus leer stand und verkauft wurde, dann war das auch ganz schnell wieder verkauft. Und denn auch neue Bewohner dort.“
Michael Raschemann, der heute mit seiner Firma, der „Energiequelle“, weltweit Windkraftanlagen baut, hat nicht vergessen, dass der Grundstein dafür hier in Feldheim gelegt wurde. Über eine Stiftung seiner Firma lässt er dem Dorf immer wieder Geld für Kultur, Vereine und Sanierungen zukommen. Ein Teil des Vierseithofes, in dem auch das Neue-Energien-Forum ist, hat die Energiequelle für die Feldheimer zur Veranstaltungsscheune umgebaut.
„Da fließt eben wieder was zurück. Die Energiequelle ist immer bemüht und bestrebt gewesen, also wir haben wirklich ne sehr gute Zusammenarbeit von Anfang an erlebt, dass es unserem Dorf gut geht, auf Deutsch gesagt. Die haben ja so viele Projekte schon gemacht, und die möchten eben den Bürgern was zurückgeben.“
Und während andere Dörfer denen nachtrauern, die gehen, begrüßen die Feldheimer jeden, der dazukommt. Seit 2014 gibt es im Ort eine Baumwiese. Für jeden neugeborenen Feldheimer wird dort ein Baum gepflanzt. Bisher sind das etwa drei Bäume – pro Jahr. Für ein so kleines Dorf in Brandenburg ist diese Geburtenrate beachtlich.